Seit «Samba» & Co. Anfang 2023 richtig «in» wurden, sind die Verkaufszahlen CEO Björn Gulden zufolge von einigen hunderttausend auf mehrere Millionen im Monat geschnellt. Laut Analysten kann Adidas mit den Retro-Modellen sogar die weggefallenen Umsätze mit den «Yeezy»-Sneakern von Rapper Ye wettmachen.

Das Problem: Der Hype kann schnell wieder vorbei sein, und das Objekt der Begierde ist zum Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Das muss Gulden verhindern. Deshalb will er den potenziellen nächsten Retro-Hit «Superstar», der in den Achtzigern durch die Hip-Hop-Stars von Run DMC zu Ruhm gelangt war, nur sparsam in den Läden platzieren.

Genaue Zahlen zu den Umsätzen der einzelnen Modelle nennt der Sportartikelkonzern aus dem fränkischen Herzogenaurach, doch Gulden betont, sie hätten zu einem sehr guten ersten Quartal beigetragen. «Samba», «Gazelle» und «Spezial» sind ab 110 Euro erhältlich, Schuhe aus Kooperationen mit Designern oder anderen Marken in limitierten Stückzahlen können auch ein paar hundert Euro kosten.

Analystin Aneesha Sherman von Bernstein Research schätzt, dass 1,5 Milliarden Euro Umsatz in diesem Jahr auf das Konto der Retro-Modelle gehen werden. Das wären sieben Prozent des Gesamtumsatzes. «Natürlich wird dieser Trend nicht ewig anhalten», warnt Portfoliomanager Thomas Jökel von Union Investment. «Letztlich entscheiden die Verbraucher, und Firmen wie Nike und Adidas müssen agil sein, um auf Trends aufzuspringen.»

Hickhack um «Yeezy» noch frisch

Adidas ist ein gebranntes Kind, was Mega-Trends angeht. 2022 trennte sich der Konzern von Skandal-Rapper Ye, früher bekannt als Kanye West, der Adidas jahrelang viel Geld mit seinen teuren «Yeezy»-Schuhen eingebracht hatte. Der Rapper hatte immer wieder provoziert, antisemitische Äusserungen brachten das Fass aber zum Überlaufen.

Der Schlussverkauf der bereits produzierten Sneaker bringt immer noch Gewinne, doch die Milliardenumsätze - zuletzt etwa 1,5 Milliarden Euro im Jahr - sind Vergangenheit. Einen Teil der «Yeezy»-Erlöse spendet Adidas an Organisationen, die gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfen.

Analysten und Investoren beobachten genau, ob sich Adidas nicht wieder zu sehr auf einen Trend verlässt. Wie schnell bestimmte Modelle auch ohne Skandal einfach nicht mehr en vogue sind, musste Adidas mit dem «Stan Smith» erfahren. Das Retro-Modell sorgte jahrelang für volle Kassen, bis 2018 in Europa der Umsatz sank, weil der Schuh einfach nicht mehr so gefragt war. Und als der konservative britische Premierminister Rishi Sunak kürzlich in einem Instagram-Clip «Samba»-Schuhe trug, unkte halb Grossbritannien, ob er damit nicht die «Street Credibility» des Samba endgültig kaputtgemacht habe.

Der «Campus» ist derzeit der Star

Adidas-Chef Gulden zufolge war der etwas klobigere, an Skate-Schuhe erinnernde «Campus» im März weltweit das online am meisten gesuchte Sportschuhmodell. In einigen Märkten verkaufe er sich schon jetzt besser als der «Samba». Mit immer neuen Farb- und Materialkombinationen will Adidas den Boom auf «Samba» und Co. am Leben halten.

«Gulden weiss ganz genau, dass man nicht damit übertreiben sollte, was man tut, damit das Modell und die Marke hot bleiben», sagte Analyst Cedric Lecasble von Stifel. «Sie könnten wahrscheinlich im Jahr auch zig Millionen Samba verkaufen. Aber sie würden damit wahrscheinlich auch den Trend beenden.»

Adidas will nun das Marketing um den Klassiker «Superstar» ausbauen. Derzeit gibt es eine Y3-Version des japanischen Designers Yohji Yamamoto für 300 Euro ganz in schwarz oder weiss. Gulden will sich auf den klassischen «Superstar» in schwarz-weiss konzentrieren und Farbvariationen auslaufen lassen. So soll der Markt bereit sein für neue Varianten des Schuhs.

Man wolle den «Superstar» so aktivieren, wie der Konzern und die Einzelhändler es brauchten, erläuterte Gulden. «Wir werden das Produkt nicht weltweit in grossen Mengen auf den Markt bringen. Wir werden uns zurückhalten und den Verbraucher entscheiden lassen, wann er oder sie den Superstar haben möchte.»

Die Strategie der Sportartikelhersteller gleicht inzwischen der von Luxusgüter-Unternehmen: Nicht alle Trendmodelle sind jederzeit und überall erhältlich. Es gehe um Exklusivität, Einschränkung des Angebots, um alles begehrenswerter machen und um grössere Margen zu erzielen, sagt Einzelhandelsexperte Matt Clark von der Beratungsfirma AlixPartners in London.

Immer wieder bieten Händler oder die Konzerne selbst eine Art Verlosung - Raffles genannt - für bestimmte, heiss begehrte Modelle an. Verschenkt werden die Schuhe dabei freilich nicht - der «Gewinner» bekommt nur die Chance, die Schuhe zu kaufen. Oft werden diese dann auf speziellen Plattformen im Internet für ein Vielfaches wiederverkauft.

(Reuters)